In den Werken von Jean Améry und Imre Kertész ist das Überleben ein omnipräsentes Thema, das von einer zweifachen Verschiebung gekennzeichnet ist. Die erste Verschiebung ergibt sich dadurch, dass die Frage nach dem Weiterleben in den Mittelpunkt gerückt und in ihrer vielschichtigen Problematik entfaltet wird, die zweite aus der literarischen Auseinandersetzung, die untrennbar mit den Fragen nach den Möglichkeiten und Grenzen sprachlicher Vermittlung verbunden ist. Der Übergang vom Überleben zum Weiterleben – als existenzielle Frage und als literarische Antwort – macht aus der Rede des Überlebenden eine Rede über die Schwierigkeit weiter zu überleben. Es zeichnet sich ein Diskurs ab, dessen Besonderheit darin begründet liegt, die Positivität der Rede mit der Negativität des Inhalts zu konfrontieren. Die daraus resultierende diskursive Durchdringung – also der Überlebensdiskurs – ist dabei als eine Übertragung der Erfahrung des Jenseits in ein Diesseits der Schrift zu verstehen.
Christian Poetini
WEITERÜBERLEBEN
Jean Améry und Imre Kertész
2014
ISBN 978-3-8498-1018-4
367 Seiten
kartoniert
Christian Poetini ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Université Libre de Bruxelles.
Leseprobe: 9783849810184.pdf
In der Einleitung legt [Poetini] konzise grundsätzliche Problematiken der Holocaust-Forschung dar […] Wertvolle Einsichten vermittelt die aus einer Dissertation hervorgegangene Studie vor allem da, wo darauf eingegangen wird, wie das Überleben von den Überlebenden selbst als Topos begriffen und eingesetzt wird.[…] Poetinis Studie […] beweist ihre Stärke darin, die „Aufwertung der kulturellen Funktion des Überlebenden“ bei zwei kanonischen Autoren der Holocaust-Literatur genau nachgezeichnet zu haben.
Linda Maeding in „literaturkritik.de“ (April 2014)
Die vollständige Rezension: http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=19115
[Christian Poetini kommt] ein doppeltes Verdienst zu: Die gründliche Analyse des Überlebenstopos leistet einen wertvollen Beitrag zur literaturwissenschaftlichen Holocaustforschung. Zugleich nimmt die Studie selbst eine Stelle im von Poetini geschilderten Prozess des „Weiterüberlebens“ ein, indem die Werke von Améry und Kertész auch in dieser Arbeit und so in der Erinnerung fortleben.
Anneleen Van Hertbruggen in „Germanistische Mitteilungen“ (42/1-2016)
Die leicht überarbeiteten Fassung von Poetinis [...] Dissertation bietet einen sehr guten Einblick in die Thematisierung des Überlebens in den Werken von Jean Améry und Imre Kertész, wobei er die spezifische Perspektive beider Autoren hinsichtlich deren eigenen Überlebenserfahrung und der Problematik des Weiterlebens rekonstruiert. [...] Poetini [liefert] eine detaillierte Studie der autobiographischen Elemente ihrer Werke. Insbesondere die ausführliche Analyse des Romans Liquidation füllt ein Desiderat in der literaturwissenschaftlichen Forschung zu Kertész.[...] Die zahlreichen intertextuellen Verweise in Kombination mit den Kontextualisierungen, biographischen Daten und zusätzlichen inhaltlichen Informationen bilden die Grundpfeiler dieser lesenswerten und soliden Studie. [...] Die gründliche Analyse des Überlebenstopos leistet einen wertvollen Beitrag zur literaturwissenschaftlichen Holocaustforschung. Zugleich nimmt die Studie selbst eine Stelle im von Poetini geschilderten Prozess des Weiterüberlebens ein, indem die Werke von Améry und Kertész auch in dieser Arbeit und so in der Erinnerung fortleben.
Anneleen Van Hertbruggen in „Germanistische Mitteilungen“ (2016)