In der vorliegenden Studie wird die in der Literatur einzigartige Rezeptionsgeschichte des Romans „Münchhausen. Eine Geschichte in Arabesken“ (1838/39) von Carl Leberecht Immermann dargestellt. Anders als bei den üblichen Rezeptionsgeschichten literarischer Werke, spaltet sich die Rezeption dieses Romans seit 1860 auf und wird doppelsträngig, indem vier Bücher des „Münchhausen“ separat unter dem Titel „Der Oberhof“ erscheinen. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts verzeichnet die Bibliographie dieses Romanteils nahezu 100 selbständige Ausgaben, während der gesamte Roman nur etwa 25mal ediert wird. Die Untersuchung der Rezeption des „Münchhausen“ und des „Oberhof“ gliedert sich in einzelne Zeitphasen, die durch die Editions- und Rezeptionsgeschichte des Romans sowie durch literaturgeschichtliche und politische Einschnitte bestimmt sind. Schwerpunkte sind die häufig erörterte Frage nach den Gründen der Abspaltung eines Romanteils, die Interpretationen des Volkstumsbegriffs, die Frage nach der Figurenpräferenz, ferner die Gattungsfrage, das Problem der Schreibweise (realistisch, satirisch, humoristisch, komisch, ironisch) sowie der Standort der Herausgeber, Rezensenten und Textbearbeiter. Untersuchungsgegenstände bilden vor allem die „Paratexte“ (Titel, Untertitel, Widmungen, Vorworte, Nachworte, Anmerkungen, Rezensionen, Briefe, Tagebücher; auch Illustrationen, Reihentitel und Verlage usw.), sodann die Bearbeitungen der Ausgaben selbst (Textauswahl, Texteingriffe, Ergänzungen), aus denen entsprechende Schlüsse gezogen werden. Die Untersuchung wird ergänzt durch eine Dokumentation zur Rezeptionsgeschichte der Romane. Insgesamt vermitteln die mehr als 150 Jahre Editions- und Rezeptionsgeschichte ein perspektiven- und farbenreiches Bild der Aufnahme und Wirkung von Immermanns „Münchhausen“ und des „Oberhof“.
Peter Hasubek
„Ein Lieblingsbuch des deutschen Volkes“.
Immermanns „Münchhausen“ und der „Oberhof“
150 Jahre Editions- und Rezeptionsgeschichte
Veröffentlichungen der Literaturkommission für Westfalen Band 13
2004
ISBN 978-3-89528-480-9
397 Seiten
kartoniert
Peter Hasubek, geboren 1937, bis 1999 ordentlicher Professor für Deutsche Literatur und deren Didaktik an der Technischen Universität Braunschweig, studierte von 1957 bis 1964 Germanistik, Geschichte, Romanistik, Philosophie und Pädagogik in Frankfurt am Main, Marburg und Hamburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts, Editionsphilologie, Rezeptionsforschung, Romantypologie und Romangeschichte sowie Fabelforschung, Autobiographie und Jugendliteratur.
Auf fast 200 Seiten beschreibt Hasubek die Editionsgeschichte dieses großen Romans. Seine Wirkung wird ganz aus dem Blickwinkel der jeweils gerade erscheinenden Drucke gesehen, weil die Edition immer die Voraussetzung für die Rezeption sei (15). Deshalb spaltet sich die Kapiteleinteilung nach der ersten Separatausgabe des sog. Oberhof, die in Paris 1860 unter dem Titel Les Paysans de Vestphalie herauskam, in eine Geschichte zweier Bücher auf. Die Abschnitte in Hasubeks Darstellung folgen überwiegend den Erscheinungsdaten markanter Editionen. Nach 1888 überwiegen dann die Drucke der als Dorfgeschichte herausgelösten Teile die der anderen Ausgaben. Im Ergebnis aber lasse die Wirkung beider Bücher »keinen eindeutigen Befund der Mythisierung einzelner Aspekte des Textes erkennen« (185). Hilfreich sind der umfangreiche Materialteil mit Auszügen aus den Rezensionen, den Vorworten, einschließlich der Forschungsgeschichte sowie die zahlreichen, dem ersten Teil beigegebenen Illustrationen.
Markus Fauser in „Germanistik“ 46 (2005), H. 1/2
Veröffentlichungen der Literaturkommission für Westfalen