Der Erste Weltkrieg erschütterte die überkommene gesellschaftliche und politische Ordnung Deutschlands. Nach der Niederlage wurden die Weichen für die Republik gestellt, im Reich wie in Lippe. Detmold war nun nicht mehr Residenzstadt eines Fürstentums, sondern Hauptstadt eines demokratischen Freistaates. Die Republik hatte eine Zukunft. In Lippe stehen für sie etwa der Landespräsident und zeitweilige Detmolder Stadtverordnete Heinrich Drake oder der Heidenoldendorfer Lehrer und Landtagspräsident Wilhelm Mellies. Die Republik hatte aber nicht nur viele sachliche Probleme zu bewältigen, sondern wurde von Anfang an von Gegnern scharf angegriffen. Für sie stehen die Namen des in Detmold lebenden „Germanenforschers“ Wilhelm Teudt oder des Rechtsanwalts und Landesvorsitzenden der Deutschnationalen Volkspartei Helmuth Petri. Die Beiträge in diesem 5. Band des Stadtgeschichtlichen Projekts spiegeln Entstehung, Probleme und Risiken, aber auch die Chancen der Republik am Beispiel der Stadt Detmold.
Krieg – Revolution – Republik.
Detmold 1914-1933
Dokumentation eines stadtgeschichtlichen Projekts
Herausgegeben von der Stadt Detmold in Zusammenarbeit mit dem Naturwissenschaftlichen und Historischen Verein für das Land Lippe
Bearbeitet von Hermann Niebuhr und Andreas Ruppert
2007
ISBN 978-3-89528-606-3
579 Seiten
Leinen
Regionalgeschichtlich dem Verhältnis von Krieg, Revolution und Republik auf der Spur sind ebenso die Herausgeber Hermann Niebuhr und Andreas Ruppert, die in Zusammenarbeit mit dem »Naturwissenschaftlichen und Historischen Verein für das Land Lippe« Politik und Alltagsgeschichte in Detmold zwischen 1914 und 1933 in 19 Beiträgen untersuchen. Detmold hatte die Wirkungen der Republikanisierung 1918 mit einem veränderten Stadtstatus zu tragen: Aus der Residenzstadt eines Fürstentums wurde die Hauptstadt eines demokratischen Freistaats. Der Übergang vom fürstlichen Regiment Leopolds V. zum Volks- und Soldatenrat vollzog sich zum 12. November 1918 ohne Schwierigkeiten und ein militärischer Putschversuch blieb Episode. Kriegsbegeisterung war anfänglich in Detmold weit verbreitet, nicht nur beim Vaterländischen Frauenverein, so Gesine Niebuhr, sondern auch bei den sozialdemokratischen Frauenorganisationen. Die unmittelbare Kriegserfahrung der Stadt war auf die Kriegshandlungen an der Westfront beschränkt. Die Kriegswirkungen für die Stadt blieben mit dem Kriegswinter des Mangels von 1916/17 jedoch nicht aus. Politik in Detmold mit seinen knapp 20.000 Einwohnern zu Beginn der Weimarer Republik korrespondierte im Grunde mit reichsweiten Stimmungen: Hohe Wahlbeteiligungen nach 1918, Generalstreik beim Kapp-Putsch 1920, die Große Koalition im Reich 1921 hatte ihr Pendant in der Zusammenarbeit von MSPD, DDP und DVP, der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund wurde nach dem Rathenau-Mord und dem ›Republikschutzgesetz‹ im Jahr 1923 auch in Detmold aufgelöst, die antirepublikanische Rechte formierte sich in Detmold und Lippe mit Deutschvölkischer Freiheitspartei (1922) und Nationalsozialisten (1925), Gewerkschaften, USPD und Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold sprengten antisemitische Versammlungen und die NSDAP rückte 1930 hinter der SPD zur zweitstärksten Partei auf.
Björn Hofmeister in „Archiv für Sozialgeschichte“ (50. Bd., 2010)