Von der abgründigen Fragwürdigkeit des Himmlischen in Goethes Faust handelt dieses Buch und vom sogenannten Teuflischen. Im Zentrum des Interesses steht darum nicht Faust, sondern Mephistopheles, der – verkörperte Widersprüchlichkeit – zwar seine eigene Abschaffung als Teufel zum Thema macht, aber dessen ungeachtet das Spiel dominiert.
In den Transformationen, die beide Figuren, Faust und Mephisto, im Verlauf des Dramas erfahren, manifestiert sich, wie auch im intertextuellen und intermedialen Spiel, Goethes vehement antiklassische Konzeption.
Ausgerichtet auf die Frage nach Quellen und Anregungen hat die Forschung früh intertextuelle Bezüge thematisiert. Diese Untersuchung verfolgt eine andere Perspektive. Sie macht inszenierte, heute allerdings wenig beachtete Vernetzungen mit biblischen Texten und religiösen Narrativen sichtbar, befasst sich mit der zitathaften Einbindung von Motiven aus der religiösen Kunst und erläutert deren kontrastive Funktion. Dabei wird erkennbar, dass das Drama – in mehreren Hinsichten ein erstaunlich aktuelles Spiel um und an Grenzen – nicht nur tradierte Gattungsnormen unterläuft, sondern auch seine eigenen Grenzen aufhebt.
Johannes Anderegg
Transformationen
Über Himmlisches und Teuflisches in Goethes Faust
2010
ISBN 978-3-89528-820-3
290 Seiten, 26 z.T. farb. Abb.
Klappbroschure
Johannes Anderegg, Dr. phil., Dr. theol.h.c., em. o. Professor für deutsche Sprache und Literatur an der Universität St. Gallen. Autor von Büchern zur Literaturtheorie, zur literarischen Ästhetik und zur Literatur der Goethezeit. Bei Aisthesis erschien 1999 der von ihm und Edith Anna Kunz herausgegebene Band Kulturwissenschaften. Positionen und Perspektiven.
Leseprobe: 9783895288203.pdf
Goethes «Faust» nimmt modernste Textmontage-Techniken vorweg. Das zeigt Johannes Anderegg in seinem neuen Buch «Transformationen». [...] In dem so knappen wie umfassend angelegten Gang durch Goethes Hauptwerk legt Anderegg die entscheidenden motivischen Bezüge und poetologischen Grundsätze beider «Faust»-Teile offen. Dabei ragen die biblischen Anspielungen heraus – auf das Buch Hiob in erster Linie, aber auch auf bisher weniger beachtete Stellen, die der bibelkundige frühere HSG-Germanist und Ehrendoktor der Theologie, Anderegg, kennt und zitieren kann wie kein zweiter. [...] «Faust», so ein Fazit des blendend geschriebenen Buchs, ist damit als «Klassiker» zugleich zutiefst antiklassizistisch. Goethe bricht mit den Dramenkonventionen und nimmt formal wie inhaltlich Errungenschaften der Postmoderne vorweg.
Peter Surber in „St. Gallener Tageblatt“ (11.2.2011)
[...] Goethes ‚Faust‘ ist eine Erfolgsgeschichte des Bösen“, resümiert der Literaturhistoriker. Es ist dieser Aspekt, der am Ende den Untertitel „Eine Tragödie“ rechtfertigt, und es könnte so aussehen, als wäre das größte aller „Faust“-Probleme – die Frage, warum der Held am Ende dennoch „erlöst“ wird – damit völlig unlösbar geworden. Aber Anderegg stellt nüchtern fest, dass im Text, anders als in vielen Kommentaren, mit keinem Wort von „Vergebung“ oder von „Begnadigung“ die Rede ist. „Man sollte die Vorstellung eines Jüngsten Gerichts nicht in diesen Text hineinlesen, der sich von gläubig-tradierten Vorstellungen mit aller Deutlichkeit abhebt.“ Statt dessen repräsentiere die Szene im ironisch gefärbten Zitaten christlicher und platonischer Tradition Goethes persönlichen Unsterblichkeitsglauben: „Wer der Geisterwelt angehört, bedarf, um dahin zurückzukehren, weder einer Begnadigung noch einer Rechtfertigung.“ [...]
Josef Tutsch in „Scienzz – Web-Plattform für die Welt der Wissenschaft“ (18.04.2011)
Die vollständige Rezension unter: http://www.scienzz.de/magazin/art11158.html
[...] Andereggs gut und verständlich geschriebenes Buch bereichert zweifellos die bisherige, ohnehin schon umfangreiche Faust-Literatur um wichtige Aspekte und sei daher allen Goethe-Liebhabern und Faust-Kennern als anregende Lektüre empfohlen.
Ursula Homann in „literaturkritik.de“ (Mai 2011)
Die vollständige Rezension unter: http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=15529
[…] Interpretiert werden intertextuelle, biblisch-religiöse Zusammenhänge […], aber auch intermediale Bezüge, die am Schluss in eine groteske, simultan-polyfokale Bild-Text-Montage münden. In ihrer Betonung der Transformationen von Figuren und Motiven im Kontext der „theatralischen Darstellung“ setzt die Studie neue Akzente.
Martin Bollacher in „Germanistik“ (2011, Heft 1-2)
[...] By placing transformation, in all its complexity, at the heart of Goethe's „Faust“, Anderegg suggestively reminds us of its perennial relevance.
Paul Bishop in „Monatshefte“ (No. 4/2011)
[…] Überblickt man zum Schluss noch einmal das Ganze der Abhandlung, so erkennt man, dass sie sich eine schwierige Aufgabe gestellt hat, indem sie es unternimmt, in Goethes „Faust“ eine doppelte Polarität zu erschließen: zum einen den Antagonismus von Himmlischem und Teuflischem, zum anderen das Spannungsfeld zwischen dieser religiösen Dimension und dem Spielcharakter der Dichtung. Lange scheint es, als wolle sie dem jeweils zweiten Pol die Dominanz zuerkennen, bis sie zuletzt doch das Gleichgewicht im Qxymoron „dieser sehr ernsten Scherze“ (Goethe über „Faust II“) zur Geltung kommen lässt und so das lebendig pulsierende Bild dieser Dichtung wieder deutlich hervortritt.
Günter Niggl in „Goethe-Jahrbuch“ (2011)
Johannes Andereggs Band ist jetzt in tschechischer Übersetzung im Verlag Malvern in Prag erschienen.
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Kunz, Edith; Müller, Dominik; Winkler, Markus (Hgg.): Figurationen des Grotesken in Goethes Werken
24,80 €
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