Der von Rainer Maria Rilke und Jorge Luis Borges bewunderte, frühverstorbene Marcel Schwob gehörte zu den zentralen Figuren des literarischen Fin de siècle. Innerhalb weniger Jahre schuf er ein erzählerisches Werk von bleibender Gültigkeit. Früh erwarb er sich mit Cœur double Anerkennung, einer Sammlung, die sein besonderes Interesse an historischen und phantastischen Erzählungen widerspiegelt. Als seine reifsten Werke gelten Le Livre de Monelle, La Croisade des enfants und die Sammlung imaginärer Biographien Vies imaginaires.
Schwobs kritische Auseinandersetzung mit dem Naturalismus, seine maßstabsetzenden Versuche als Autor symbolistischer Prosa, schließlich seine allmähliche Hinwendung zu einem radikalen, gleichwohl selbstironisch gebrochenen Ästhetizismus sind Stufen einer Entwicklung, die durch Krankheit und Tod jäh beendet wurde.
Dem Polemiker Schwob steht der Vermittler und Anreger gegenüber: Als universell gebildeter, in etlichen Sprachen versierter Autor spielte er eine wichtige Rolle im kulturellen Austausch vor allem zwischen der englischsprachigen und der französischen Literatur. Zu seinen Freunden zählten Oscar Wilde, Robert Louis Stevenson, Paul Valéry, Alfred Jarry und André Gide.
Diese erste größere Arbeit über Marcel Schwob in deutscher Sprache versteht sich als Werkmonographie. Die Veröffentlichungen des Autors werden in chronologischer Folge untersucht, wobei die leitende Fragestellung die nach den intertextuellen Bezügen und Verfahrensweisen ist, die in seinen Texten wirksam sind. In weiteren Kapiteln werden Marcel Schwobs Biographie sowie zeit- und literarhistorische Verflechtungen von Person und Werk behandelt.
Gernot Krämer
Marcel Schwob
Werk und Poetik
2005
ISBN 978-3-89528-475-5
371 Seiten
kartoniert
Gernot Krämer lebt in Berlin. Herausgeber und Übersetzer u.a. von Marcel Schwob, „Das geteilte Herz“. Im Aisthesis Verlag veröffentlichte er 1999 die Studie „Der Mord als schöne Kunst betrachtet. Zur ästhetischen Valenz eines Motivs bei Thomas de Quincy, Oskar Wilde und Marcel Schwob“.
[...] Für den, der Schwob kennt (oder kennenlernen will), ist Krämers Buch ein Gewinn: es informiert breit und verlässlich über Leben und Werk. Dabei kann nicht ausbleiben, dass auch für den, der sich auszukennen glaubt, mancherlei Neues abfällt: zu spärlich und disparat sind die Informationsquellen, auf die man bisher angewiesen war. Eine unaufgeregte Bewunderung für den Autor, die gelegentlich, nicht ohne Grund, in Verwunderung umschlägt, prägt dieses Buch. [...] Krämers Art der Lektüre, aufmerksam auf alle Arten intertextueller Bezüge, schärft Blick und Ohr für die Bildungs- und Freundschaftsverhältnisse des Autors und seine montagenahe Erzählpraxis. [...]
Ulrich Siebgeber in „Iablis – Jahrbuch für europäische Prozesse“ (März 2005) (www.iablis.de)
Rechtzeitig zum Centenar-Gedenken an Marcel Schwob [...] legte Gernot Krämer seine umfangreiche Studie „Marcel Schwob. Werk und Poetik“ vor. [...] Wer sich mit Schwob, dem französischen Fin-de-siècle und den Vorbildern postmoderner Poetik ernsthaft befassen möchte, wird an Krämers Untersuchung nicht vorbeigehen können. Es erweist sich überdies an diesem Buch der große Nutzen, den klassisch gearbeitete literaturwissenschaftliche Werkmonographien auch heute noch haben.
Gregor Gumpert in „Weimarer Beiträge“ (Heft 1 / 2006)