Leider vergriffen!
Christian August Fischer, geboren 1771 in Leipzig, gestorben 1829 in Mainz, ist heute fast vergessen. In seiner Zeit hingegen war er ein berühmter, gar berüchtigter Autor, der, enorm fleißig und äußerst produktiv, mit großem Geschick seine literarische Arbeit zu vermarkten wußte.
Mit der Schilderung von Reisen, die ihn quer durch Europa geführt hatten, fand er Anerkennung und ein Lesepublikum. Nicht minder begehrt waren seine unter dem Pseudonym "Althing" veröffentlichten erotischen Schriften. Als gewandter Stilist versäumte er keine Gelegenheit, sich in der zeitgenössischen Publizistik Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Der Ruf, den er sich mit seinen seriöseren Werken erworben hatte, trug ihm Titel und Stellung eines Professors an der Universität Würzburg ein. Als er dort in Auseinandersetzungen mit Klerus und Obrigkeit geriet, kostete es ihn erst sein Amt und dann seine Freiheit. Ihn erwarteten Festungshaft und danach ein eher ärmliches Schriftstellerleben.
Fischers Leben und Werk, hier erstmals umfassend und auf breiter Quellengrundlage vorgestellt, spiegeln wichtige Entwicklungslinien und Konfliktfelder einer Zeit, in der sich das deutsche Bildungsbürgertum zu formieren begann. Es gibt Aufschluß über die Aufstiegschancen, die sich dem talentierten und bildungshungrigen Sohn eines Leipziger Ratsbeamten, früh schon Vollwaise, eröffneten, über die Schwierigkeiten einer 'freien' Schriftstellerexistenz und, nicht zuletzt, über die Gefährdungen und Nöte des aufgeklärten Bürgers in Ständegesellschaft und Fürstenstaat.
Josef Huerkamp / Georg Meyer-Thurow
"Die Einsamkeit, die Natur und meine Feder, dies ist mein einziger Genuß"
Christian August Fischer (1771-1829)
Schriftsteller und Universitätsprofessor
Bielefelder Schriften zu Linguistik und Literaturwissenschaft Bd. 15
2001
ISBN 978-3-89528-307-9
486 Seiten
gebunden
Josef Huerkamp promovierte im Anschluß an sein Studium der Germanistik und Geschichte (Münster und Bielefeld) über den literarischen Realismus Arno Schmidts, zu dessen Werk er zahlreiche Beiträge vorlegte. Er unterrichtet Deutsch und Geschichte an einem Gütersloher Gymnasium.
Georg Meyer-Thurow, M.A., Studium der Geschichte und Sozialwissenschaften an den Universitäten Köln und Bielefeld, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bielefelder Fakultät für Geschichtswissenschaft, ist seither freiberuflich tätig.
Leseprobe: lp-9783895283079.pdf
[...] Die so detailreich ausgebreitete Lebensgeschichte dieses eleganten Erotikers, bienenfleißigen Aufklärers und unbelehrbaren Polemikers ist in vielfacher Hinsicht exemplarisch für die Problematik freier Brotschriftstellerei im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert [...]. Verdienstvoll ist der Anhang (S. 435-456), der neben einem Briefverzeichnis erstmals eine solide Bibliographie von Fischers Schaffen bietet. [...] Die passionierte Arbeit der beiden Autoren besticht durch das überaus dicht geknüpfte biographische Netz, die minutiöse Verfolgung aller Lebensspuren samt entlegener Verweise in den Anmerkungen. Auch sozialhistorische und buchgeschichtliche Aspekte werden vielfach berücksichtigt. [...]
Reinhard Wittmann im "Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel" vom 15.3.2002
[...] Ein ungewöhnliches, tatsächlich etwas herbstliches Buch! Zwei Wissenschaftler haben es geschrieben (und geschrieben sind ja nur die wenigsten Bücher deutscher Wissenschaftler): ein Literatur- und ein Geschichtskundler, aus der Schule des Bielefelder Historikers Hans-Ulrich Wehler. Es stellt die Biographie eines vergessenen Menschen dar, des Schriftstellers und Universitätsprofessors Christian August Fischer, geboren 1771 in Leipzig, gestorben 1829 in Mainz. [...] Ja, es ist ganz wunderbar (merkwürdig, hätte man damals gesagt), wie es den Autoren gelingt, akribisch konzentriert auf Fischers stolpernden Lebenslauf, die Musik der Zeit hörbar zu machen – eine herbstliche Musik, am Ende, und auf diese beethovensche Art ein wenig geisterhaft.
Benedikt Erenz in "DIE ZEIT" vom 22.11.2001
Ein verkanntes Genie? Wohl kaum. Aber ein fleißiger Mann, dieser Christian August Fischer (1771-1829): reiste von Estland bis Cadiz, neugierig wie Seume, vorurteilsfrei wie Montaigne, war Professor und „freier“ Schriftsteller. Unter seinem und dem Namen Althing schrieb er Reisebeschreibungen, Romane, Politisches, Rezensionen. Sein prägnanter Stil war sehr geschätzt. Wenn nicht Arno Schmidt ihn in seinem Tina-Capriccio wiedererweckt hätte, wäre er vergessen. Eine neue Biografie erzählt sein interessantes, aber auch wirres Leben nach, aber wie. Huerkamp ist einer der hellsten Schmidt-Forscher und hat auch brillante Prosa verfasst. Jetzt zeigt er, wie man ein Sachbuch mit Fakten füllt, wissenschaftlich bleibt und trotzdem spannend erzählt. In jedem Nebensatz merkt man die ungeheure Kenntnis. So lebendig wird einem selten ein so ferner Mensch, und ganz nebenbei liest man immer auch die ganze aufgeregte Epoche mit.
In der "Stuttgarter Zeitung" vom 12.7.2002
Mit der nun vorl. Biographie zu dem Erfolgsschriftsteller Christian August Fischer ist endlich eine schmerzliche Lücke geschlossen worden. Der Autor, der zu den meistgelesenen Reisebeschreibern in deutschen Leihbibliotheken bis in die Mitte des 19. Jh. zählte, ist erst in den letzten Jahren sukzessive als Cooper-Übersetzer, als Fabelautor und insbes. als Reiseautor wiederentdeckt worden. Die Biographie liefert nun nach einer jahrelangen, ebenso mühsamen wie erfolgreichen heuristischen Kleinarbeit eine umfassend recherchierte und zudem teils vorzüglich geschriebene Darstellung zu F.s Leben. Gewiß, die Darstellung entzieht sich weitgehend einer über den Biographismus hinausgehenden Analyse der Texte, und F. wird nur an wenigen Stellen in die Auseinandersetzungen seiner Zeit, in denen er im Sinne eines Spätaufklärers auch polemisch gegen die frühromantischen Idealisten zu Felde zog, eingeordnet (etwa im Abschnitt »Fischer contra Schelling«). (So wird auch F.s wichtige Spanienreise vor allem durch biographische Daten ergänzt und biographisch gelesen, während bei der Bewertung des Reiseberichts Unsicherheit besteht). – Gerade die Beschränkung der Verf. auf das biographische Material, die genaue Recherche und Überprüfung der Zeugnisse, durch welche manche Fehldarstellung der Forschung korrigiert werden kann, machen jedoch auch den grundlegenden Wert dieses Werkes aus. Die Biographie ist zugleich Lebenslaufdarstellung und sozialhistorische Bewertung. Aus diesem Lebenslauf lassen sich konkrete Details zur sozialökonomischen Situation eines Universitätsgelehrten, zur sozialen Relevanz aufklärerischer Bildungsreisen, zur Kontur eines Erfolgsschriftstellers herauslesen, die dann auch über die konkrete Biographie hinaus aussagekräftig sind. Eine genau recherchierte Bibliographie der selbständigen Publikationen F.s, die Vielzahl gefundener (!) und ausgewerteter Archivalien bei einer durchaus schwierigen und allein schon durch die Vielfalt der Betätigungsfelder, Wohnorte und der verwendeten Pseudonyme F.s komplexen Quellenlage können den Wert dieser Arbeit nur bekräftigen. Hervorgehoben sei auch, daß sich die Verf. überwiegend nach bester Manier um einen Stil des ›genus medium‹ bemühen. [...]
Christian v. Zimmermann in 'Germanistik', H. 3/4, 2001
Bielefelder Schriften zu Linguistik und Literaturwissenschaft