Das Motiv des "Mordes als einer schönen Kunst betrachtet", wie es zuerst von Thomas de Quincey formuliert, später von Oscar Wilde, Marcel Schwob und anderen aufgenommen und varüert worden ist, stellt einen radikalen Versuch dar, die Trennung von Ethik und Ästhetik, wie sie von den romantischen Poetiken bis hin zum L'art pour 1'art programmatisch gefordert wurde, neu zu bestimmen. Die Autoren greifen dabei auf historische und zeitgenössische Mordfälle zurück, deren jeweiligen Umstände sie - mehr oder weniger geglückt ihren Intentionen entsprechend modellieren. Vergleicht man die zu ermittelnden (kriminal-)geschichtlichen Fakten mit ihren literarischen Bearbeitungen, so wird der ästhetisch-philosophische Gehalt der Texte erst recht augenfällig: de Quincey lotet die Implikationen einer von ethischen Kategorien gänzlich losgelösten Betrachtungsweise von Kunst aus und überträgt zugleich parodistisch Kants Idee des "Erhabenen" auf den Mord. Wilde behauptet die völlige Autonomie der Kunst, ihre gänzliche Unabhängigkeit von Fragen der Moral und ihre spezifische Affinität zum Verbrechen. Schwob gibt dem Fin-de-siecle-typischen Konflikt zwischen Leben und Kunst, den er in einer eigenwilligen Konzeption von »Biographie« aufs äußerste zugespitzt hat, mittels des Mord-Motivs eine überaus prägnante und originelle Form.
Ergänzend thematisiert die Studie die Beziehung zwischen Dandyismus und Verbrechen, die Interdependenzen zwischen Anarchismus und literarischer Dekadenz sowie die Nobilitierung des Mörders zum Genie.
Gernot Krämer
Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet
Zur ästhetischen Valenz eines Motivs bei Thomas de Quincy, Oskar Wilde und Marcel Schwob
1999
144 Seiten
kartoniert
ISBN 3-89528-237-5
Gernot Krämer, geb. 1968, studierte Komparatistik, Germanistik, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Er ist als Übersetzer tätig und stellv. Chefredakteur von Sinn und Form. Weitere Veröffentlichung bei Aisthesis: Marcel Schwob
Krämers Studie gefällt wegen der Fülle und Gediegenheit ihrer Interpretationen, die in der Tat einen dichten intertextuellen Zusammenhang herstellen, gut aufeinander abgestimmt erscheinen und auch mit Sorgfalt, doch ohne lästige terminologische Manierismen formuliert sind.
Ulrich Schulz-Buschhaus in: 'Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik', Heft 1/2000