Die Arbeit setzt mit einer gründlichen, sowohl literaturhistorisch als auch literaturtheoretisch fundierten Durchleuchtung der Ich-Instanz ein und wendet sich daran anschließend einzelnen poetologischen und philosophischen Konzepten der Du-Instanz zu, die nach Ansicht der Verf. eine wichtige Rolle in Bezug auf die Erfassung des Alteritätsbegriffs bei B[achmann] spielen. [...] Nach dieser theoretischen Fundierung wird der Begriff der Alterität in den Gedichten der Autorin untersucht, wobei das Analysespektrum von Jugendgedichten bis zu B.s beiden Gedichtbänden "Die gestundete Zeit" und "Anrufung des Großen Bären" reicht. Chişe zeigt auf, dass sich B. in ihrer lyrischen Du-Konzeption immer mehr an den Leser wendet, der nicht außerhalb des Textes gedacht wird, sondern dessen Rolle in einem »bewusst akzeptierten Bleiben im Text« (196) konzipiert wird. Folgerichtig erhält die Figur des Lesers ein eigenes Kapitel, in dem dieses Bleiben im Gedicht genauer konturiert und gezeigt wird, wie sich diese zunächst abstrakte Konzeption des Lesers schließlich an einen individuellen Leser wenden kann. Die Studie Chişes, die einer komplexen Fragestellung auf hohem Reflexionsniveau begegnet, mündet schließlich in den Gedanken, dass das Gedicht »ein fremder Ort bleibt, der verunsichern soll« und »an dem der Leser eine besondere Art der Selbstbegegnung erfährt, die ihm ein verantwortungsvolleres Erfassen der Welt ermöglicht« (312).
Barbara Mariacher in „Germanistik“ 59 (2018), H. 3-4
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